Meine Informationen über die nie dagewesene Idee, einen stationären Spielort für namhafte Künstler zu schaffen, beschränken sich auf Zeitungsberichte und das, was die Menschen mir erzählen, die sich die Sache angehört haben. Seit ein paar Monaten schon geistert ein Mann durch Wanfried, den niemand wirklich kennt und dessen Name bis Anfang November geheim gehalten wurde. Er hatte sich Anfang des Jahres dem Bürgermeister, den Stadtverordneten und dem Magistrat der Stadt vorgestellt, hat sich für den Kauf eines städtischen historischen Hauses und eines Teils des Bodegeländes entschieden. Er hat einen notariellen Vertrag unterzeichnet, der ihm bis März 2015 die Zeit gibt, sich für den endgültigen Kauf beider Immobilien zu entscheiden. Wer ist dieser Mann? Was hat er vor? Wer steht dahinter? Und was haben die Wanfrieder davon? „Nix Genaues weiß man nicht“, weil nix Genaues raus gelassen wird. Kein Wunder, dass es in der Gerüchteküche brodelt, dass viele Leute aus verschiedenen Richtungen recherchieren und dass sich viele Leute nur wundern, während sich andere schon jetzt vor Lachen über die Wanfrieder Einfalt auf die Schenkel klopfen.
Wie war das mit Herrn Molinnus?
Zuerst durfte sein Name den Wanfrieder Bürgern, die ja im Prinzip Miteigentümer der städtischen Immobilie sind, nicht genannt werden. Nachdem er zwei Bürgerversammlungen hinter sich gebracht und seinen Namen genannt hatte, sind jetzt seine „Auftraggeber“ zu schützen, damit ihnen die negative Presse bei Scheitern des Projektes nicht um die Ohren fliegt. Ob die negative Presse den Wanfriedern und der Stadt um die Ohren fliegt, falls diesen eine Laus in den Pelz gesetzt würde, spielt hierbei eine untergeordnete Rolle. Es geht um Künstler! Es sollen namhafte oder potentielle Künstler sein, so stand es in der Zeitung zu lesen, was immer potentielle Künstler sind…, wobei ich denke, dass Künstler mit negativer und positiver Presse gut umzugehen wissen. Peter Molinnus soll gesagt haben, dass er und die Künstler unserer Kleinstadt an der Werra Gutes tun wollen. 9 oder 10 Millionen wollen sie investieren, hier in Eigentum investieren und 50 Arbeitsplätze schaffen. Ich als Journalistin lebe davon, dass es das abgewandelte Sprichwort gibt: „Tue Gutes und rede darüber“, denn das informiert die Bürger. Nicht so Herr Molinnus, er will den Bürgern Wanfrieds von dem Glück etwas zurückgeben, das er selbst in seinem Leben erfahren hat. So hat man mir das wiedergegeben, was er angeblich gesagt haben soll. Hier hört es sich für mich nach billigen Floskeln an, die der PR einer Sekte entsprechen würden. Ob eine Sekte dahinterstecken könnte, wurde er bereits öffentlich gefragt, diese Frage hat er mit nein beantwortet. Ob der Eventpark der rechten Szene als Versammlungs- und Spielort dienen sollte, hat er mit nein beantwortet. Ob es sich um ein Flatratebordell, eine Flüchtlingswohnanlage oder andere Projekte handeln könnte, wurde er nicht gefragt, hätte er aber sicher auch mit nein beantwortet. Er will Wanfried zu Geld, Ruhm und Arbeitsplätzen verhelfen, will Leute reich machen und Gutes tun. Dazu braucht er die Unterstützung der Leute. Eine Kreativgruppe wurde gegründet, die gemeinsam mit ihm Licht in sein Konzept bringen soll. So habe ich es vestanden und verstehe nicht, was er von den Wanfrieder will? Akzeptanz, heißt es. Wofür, wenn keiner weiß, was das werden soll?
Aber die Wanfrieder sehen sich schon, wie sie die vielen Bratwurststände betreiben, die überall dampfend in den Grundstückseinfahrten stehen, um alle zwei Tage 2000 Besucher mit Wurst zu versorgen. Die Eschweger Klosterbrauerei kann sich glücklich schätzen, der Bierumsatz wird steigen. Im Sommer springen die Gäste kurz vor dem Event in der Cellerstraße eben noch mal ins Wanfrieder Freibad, im Verkaufsraum der Bäckerei Wolf wirds eng, die 14 Betten im Hotel Zum Schwan sind dauerausgebucht und in den Ferienwohnungen in und um Wanfried werden die Betten nicht mehr kalt. Wanfried soll „über seine kleinen Grenzen hinaus bekannt gemacht werden“, soll Herr Molinnus gesagt haben. Das hat der Bürgermeister aber bereits ohne Molinnus geschafft, dieser ist auf Wanfried ja erst durch einen positiven Beitrag im Fernsehen aufmerksam geworden. Wir haben positive Presse. Wovor fürchtet sich Herr Molinnus?
„Allen müsse klar sein, dass das beschauliche Leben in Wanfried ein Ende haben werde, wenn das Konzept umgesetzt wird“, sagte er. Hat er Angst davor, dass die Menschen irgendwann keine Lust mehr haben, jeden zweiten Tag 2000 Besucher und die Anfahrten zu Konzerten, Musical und Theateraufführungen, Flohmärkten oder Töpferkursen zu ertragen? Und vergessen sie dann womöglich die schönen Investitionen in Millionenhöhe und werden sauer? Eine Bürgerbefragung soll her, vorher noch. Der Bürgermeister sagt zurecht: „Das hört sich zu gut an, um wahr zu sein.“
Ein Bürger hat mich gefragt: Was hört sich gut an? Und woher die Hoffnungen, den Ort zu beleben und woher die Impulse für Einzelhandel, Gastronomie und Handwerk? Er habe auch recherchiert und herausgefunden, dass man einen Herrn Molinnus in Kultur- und Kunstkreisen oder in den großen Agenturen nicht kenne und er nirgends im Zusammenhang mit großen Jazz- oder Schlagerkonzerten, Musical- und Theateraufführungen genannt werde. Es könne ja sein, dass tatsächlich geplant ist, Künstler verschiedener Genres nach Wanfried zu holen. Für Kurz- und Showauftritte im Rahmen einer Großraumdisko, denn um nichts anderes könne es sich angesichts der aufgeführten Zahlen handeln. Dafür sei die Lage der Stadt und die ehemalige Bodefabrik bestens geeignet. Nur wird man das so deutlich nicht sagen, denn die „Begleiterscheinungen“ seien in der Tat geeignet, das beschauliche Leben in Wanfried zu beenden. „Lärm, Verkehr, Müll“ seien bereits genannt worden, Drogendelikte, Beschaffungskriminalität, die „Türsteherszene“, all das bundesweite Begleiterscheinungen der Großraumdiskoszene, dagegen noch nicht. Und auch nicht, dass möglicherweise keiner der versprochenen 50 neuen Arbeitsplätze Wanfriedern zur Verfügung stehen wird.
Die Vertreter der Stadt sind von den Bürgern der Stadt in ihre Positionen gebracht worden, damit sie die Interessen der Bürger der Stadt vertreten. Nichts anderes sollten sie jetzt tun.
„Kümmere dich um die Dinge, bevor sie geschehen!“
„Bringe die Dinge in Ordnung, bevor sie in Unordnung geraten!“
Ein zweiter Wanfrieder schreibt: Wird Wanfried bald eine Eventmetropole sein?
„Bei seriösen Investmentvorhaben dieser Größenordnung werden regelmäßig vor Beginn einer solchen Investition sogenannte Feasibility-Studien (Machbarkeitsprojektstudien) angefertigt. Großbanken verlangen sie immer; seriöse Großinvestoren ebenfalls. Wenn es sich bei den von Herrn Mollinus vertretenen Investoren um seriöse Geldgeber handelt, dann sollten die Vertreter unserer Stadt vor der Fassung eines Aufstellungsbeschlusses für einen Bebauungsplan eine solche Feasibilitystudie für das geplante Projekt in Wanfried verlangen. Ansonsten wird hier den Stadtverordneten und den Bürgern nur eine Katze im Sack verkauft und niemand weiß, ob das, was Herr Mollinus verspricht, auch einer kritischen Überprüfung standhält. Das geplante Vorhaben wird nicht ohne gravierende Auswirkungen auf diesen Ort und seine Wohngebiete in der Nähe des Bodegeländes bleiben. Emissions- und Umweltvorschriften werden zu beachten sein. Die besondere Tallage des Bodegeländes die verkehrstechnischen und lärmtechnischen Probleme bei unmittelbarem Angrenzen an reine Wohgebiete bieten eine ganze Serie von Fallstricken.
Nur noch eine Anmerkung zu den juristischen Problemen, die auf die Stadt und die Investoren zukommen können: Wenn die Stadt die Erschließung und die Planungen komplett, insbesonder auch wegen der Kosten, auf die Investoren übertragen will, muss ein sogenanner Erschließungsvertrag abgeschlossen werden, der rechtlich kompliziert ist, ohnehin von der Rechtsaufsicht (RP in Kassel) genehmigt werden muss und außedem sind vom Investor sogenannte Erfüllungsbürgschaften einer deutschen Großbank oder Sparkassse vorzulegen. Ein Beispiel dafür, was da auf Wanfried zukommen kann, kann man hier nachlesen: http://openjur.de/u/635327.html.
Zum städtebaulichen Erschließungsvertrag siehe hier: http://www.hoffmann-gress.de/skripten/Fachinfo_Kooperative%20Baulandentwicklung_Juni%202013.pdf
Also, da kommen noch eine Menge an Aufgaben auf die Stadt zu und last but not least: Oft liegen die Probleme im Detail und es wird noch viel Wasser die Werra hinabfließen, bevor das alles in trockenen Tüchern sein wird. Und eines ist sicher. Eine kritische Öffentlichkeit wird dieses Vorhaben begleiten.“
Großraumdisco oder Kulturmekka oder gar nix? Mal sehen, was da auf uns zurollt.