Juden im Werratal
Was die Archive der Stadt Wanfried berichten. (Lesen Sie dazu auch: 200-Prozentige und die Anderen)
Ein Zeitungsartikel im Eschweger Tageblatt aus dem Jahr 1939. Verfasser P.
Wie Diebe in der Nacht sind sie auch in das Werratal gekommen. Die Zeit des Einbruchs dieser asiatischen Parasiten in die Kultur und Wirtschaft unserer Heimat ist nicht mehr festzustellen. Höchstwahrscheinlich fällt sie schon in das 15. Jahrhundert. Ein Grabstein auf dem jüdischen Totenhof in Wanfried trägt die Jahreszahl 1432. Dann sind sie Jahrhunderte lang verschwunden. Die Wanfrieder Chronik deutet an, dass sie bei einer Verfolgung verbrannt worden seien. An Gründen dieser radikalen Ausrottungsform wird es wohl nicht gefehlt haben. Aber ein gebrannter Jude scheut auf die Dauer das Feuer nicht. Jedenfalls haben sie sich im 16. Jahrhundert im Werratal wieder eingenistet.
Anfänglich sind es in Wanfried „derselben ißo Zwehne“, wie es im alten Saalbuch heißt. Das „Schutgeld von Juden“ beträgt jährlich 4 Reichstaler. Überraschend wächst die Zahl der Judenfamilien in Wanfried im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts auf zwanzig. Wie ist das möglich. Es erklärt sich von selbst, wenn man bedenkt, dass diese Zeit das starke Aufblühen der Werraschiffahrt bringt. Der weit ausgedehnte Handel, der für die Juden in der Hauptsache nur Schachern, Betrügen und Lügen bedeutet, hat sie nach Wanfried gelockt. Noch müssen sie aber geschlossen an der Peripherie der Stadt wohnen. Alle wohnen „uff dem Diche“ (auf dem Teiche), eine Straßenbezeichnung, die heute verschwunden ist. Später machen sie sich in den Hauptstraßen, durch die der Verkehr flutet, breit und erwerben hier Grundbesitz.
Frech ist das Gesindel immer gewesen. So finden wir in dem Strafregister von 1620 den Eintrag: „Ein fremder Jude wird mit fünf Gulden betraft, weil er auf dem Stadtkeller unhöfliche Lieder gesungen und spöttisch auf den Herrn Jesus Christus geredet hat.“ Eine besondere Judensteuer ist der Zuchthauszoll. „Er beträgt einen Taler, „wenn ein Jud Hochzeit machet.“ In dieser Verordnung werden sie mit Seiltänzern, Gauklern, Taschenspielern und Glückstopfhaltern in einem Atem genannt. Wegen Steuerrückstände kommen sie mit der Stadt Wanfried wiederholt in Konflikt. 1658 müssen sie 24 Gulden nachzahlen. Das Geld wird zum Wiederaufbau des Armen- und des Siechenhauses verwandt.
In einer Polizeiverordnung wird den Juden streng verboten, mit Tuchen und Wollwaren, die nicht hessischen Ursprungs sind, zu handeln. Nach einer speziell für die Juden erlassenen landgräflichen Verfügung dürfen keine „verdächtigen oder Betteljuden“ im Werratal geduldet werden. Sie müssen sich an christlichen Sonn- und Feiertagen über still und eingezogenen verhalten. In dieser Verfügung werden die jüdischen Schliche und Kniffe treffend charakterisiert, wenn es heißt:
„Auf die wucherliche Kontrakte, die einige Juden in Geld auslehnen auf Garn, Wolle, Frucht, Vieh und dergleichen zu treiben gewohnt sind, indem sie diejenigen Sachen, welche ihnen gegen das vorgeschossene Geld versprochen worden, insgemein von neuem auf eine kurze Zeit stehen lassen, hierbei aber jedes Mal dasjenige, was sie den Leuten anrechnen, aufs allertheurerste, was sie aber dagegen gelieffert erhalten, sehr gering ansetzten, und da sie diese Verkehrung oftmals wiederholen, desgleichen in ihre Hände geratene Leute in geschwinde und schwere Armut stürzten, ist sehr Acht zu geben und sofort der Obrigkeit davon Anzeige zu thun.“ Auf geraubtes Diebesgut der Juden zielen folgende Wort hin: „Wenn Juden Gold, Silber und andere bei ihnen sonst nicht gewöhnlich geführeten Waren bei sich haben, oder wenn erwähnte Juden eine längere Zeit als sie sonsten pflegen von Haus bleiben, muss ohne Anstand bei der Obrigkeit gemeldet werden. Auch mit Falschgeld wissen die Juden umzugehen, wie ein Münzedift aus dem 18. Jahrhundert beweist.
Unsauberer Handel ist mit Schmuggelei eng verknüpft. Und in Wanfried als Grenzort blühte der Schmuggel im 17. und 18. Jahrhundert außerordentlich. Träger dieser Sauerei ist vor allem wieder der Jude. Sein Absatzgebiet ist das nahe Eichsfeld. Zu den Kriegszeiten schützt er sein Eigentum durch Zahlung von Schutzgeld an die durchziehenden Kriegsvölker, was natürlich mit vollem Recht den Unwillen der übrigen Stadtbewohner erregt.
Mit dem Aufstieg und Absinken der Schiffahrt steigt und fällt auch stets die Zahl der Juden in Wanfried. 1861 sind es noch 140, zwölf Jahre später nun noch 99. Wanfried ist für sie keine Ausbeutungsdomäne mehr, wenn auch der Kleinhandel noch weiter in ihren Händen liegt. Geldjuden bevorzugen größere Städte als Operationsgebiet. Erst die neue Zeit räumte völlig mit dem Judenspuk in Wanfried auf. Wanfried ist schon seit Jahren judenrein. Auch die im Jahre 1890 erbaute Synagoge ist längst dem Abbruch zum Opfer gefallen. Das Verschwinden dieses im maurischen Stil gehaltenen Machwerks bedeutet eine weitere Verschönerung Wanfrieds.
Unter sich einig als Parasiten an dem deutschen Volkskörper, lebten sie auch in Wanfried unter sich wie Hund und Katze. Darüber wusste der verstorbene Pfarrer und Kreisschulinspektor Bippart eine köstliche Episode zu erzählen. Kam da eines Tages der Judenlehrer Oppenheim jammernd und heftig gestikulierend zu ihm gelaufen und rief: „Herr Kreisschulinspektor, rette he mech vor meine eigene Leit. Ech werde Antisemit, ech werde Antisemit.“
Es wird nicht schwer fallen, aus den Archiven anderer Orte gleichfalls das Schmarotzerleben der Juden im Werratal festzustellen. P.
Kommentar von Diana Wetzestein:
Eigentlich gibt es über die jüdische Gemeinde in Wanfried nix zu sagen. Jedenfalls sagte man mir das. Nix, weil ja alle jüdischen Familien lange vor der Verfolgung und Vertreibung durch die Nationalsozialisten „verschwunden“ sein sollen. Ganz von allein haben die sich praktisch selbst vertrieben. Und wenn ich lese, was P. da geschrieben hat, könnte ich eine „Selbstvertreibung“ sogar verstehen. Schließlich war man hier nie willkommen.
Klar, das ist überall auf der Welt ein heikles Thema. Schließlich hat da beinahe jede Stadt und jeder Ort seine Hände im Blut der Juden gewaschen. Über Jahrhunderte hinweg waren sie die Überträger der Pest, die Schuldigen bei Großbränden, Dürre, Hochwasser, Kinderkrankheiten, Krätze, Blödheit, Armut, Haar- und Zahnausfall. Dann gingen die abergläubischen Leute auf die Juden los, verbrannten sie wie Hexen, stachen sie ab wie Schlachtvieh und teilten ihren Besitz unter sich auf. Aber immer nur so viele wurden „weggemacht“, dass die Überlebenden die Städte weiterhin mit überhöhten Steuern unterstützen konnten. Amnestie gab es für sie nicht, aber Amnesie überall. Und so ist es auch in Wanfried. Keiner weiß was, keiner hat was gesehen und wenn, kann man sich nicht erinnern. Auch im evangelischen Kirchenarchiv ist nix zu finden. Lupenreines judenfreies Archiv. Das wundert mich nicht mehr, wo ich jetzt die „lustige Episode vom Juden, der Antisemit werden will“ von Pippart kenne. Aber die kenne ich ja nur, weil es Leute gibt, die aufmerksam alte Zeitungen lesen und mich darauf aufmerksam gemacht haben. Und weil es Leute gab, die in Zeitungen ihre Meinung offen unters Volk bringen und aufschreiben durften, wie sie diese Zeit so erlebt haben, als Millionen von Menschen wegen einem Oberspinner, seinen vielen kleinen Profiteuren und Helfern, ermordet und vorher bestialisch gequält wurden.
Dafür muss man doch auch Verständnis haben, jedenfalls wird das immer wieder gefordert, wenn ich mich über so etwas aufrege. Aufregen ist nur im stillen Kämmerlein erlaubt. Schließlich waren es „schwierige Zeiten“, und die Menschen wollten auch unterhalten werden. Dafür sind die Journalisten da. Den Zeitgeist der Leser zu treffen, gelingt außerdem nicht jedem. Dafür muss ein Profischreiber ran. P., der Profischreiber. Seinen Einfluss auf die Köpfe der „Bessermenschen“ darf ich aber, trotz allen Ekels vor dieser Person, nicht überbewerten. Das wäre reine Spekulation und dann würde ich mich mit P. auf eine Stufe stellen. Ich könnte seinen Artikel eine Art Werbung nennen. – Oder? Nein, kann ich nicht. Für mich liest sich das wie Propaganda, Todeshetze gegen Mitmenschen. Aber so was hat es in Wanfried ja nie gegeben. Wir haben die schönen Märchen vom Brombeermann, wie er mit seinen infantilen Elfen und Zwergen aus den Taterslöchern kriecht und in die Stadt kommt. Seit 1568 macht er das jedes Jahr, übernimmt dann die Regentschaft während der Schützenfesttage und ist danach wieder verschwunden. Der Brombeermann ist unser bester Mann. Das ist unsere Wirklichkeit. Der Rest, das sind nur Buchstaben, gedruckt auf Zeitungspapier. Höchstens einmal gelesen und wieder vergessen. Wer die dritte revidierte Auflage des Buches liest, findet auf Seite 9 im Vorletzten Absatz zwei interessante Namen. Wilhelm Pippart höchst selbst hat dieses Vorwort in seiner 2. Auflage von 1939 geschrieben, der Magistrat der Stadt Wanfried hat es so übernommen. Aus Unwissenheit oder bewusst, das kann ich nicht sagen. Zitat: „Obige Sätze gab ich meinem „Brombeermann“ mit als Geleit auf seine erste Wanderung durch die engere und weitere Heimat. Er hat überall herzliche Aufnahme gefunden, besonders auch bei bedeutenden volkskundlichen Schriftstellern wie Heinrich Sohnrey udn Gustav Schröer. Ich habe auch der zweiten Auflage nichts besseres voranzusetzen. Nur das eine ist gewiss: Der Beerenkorb ist noch voller und schwerer, und die Waldfrüchte sind noch reifer geworden“. Wanfried, Weihnachten 1939. Wilhelm Pippart. Nach ihm ist übrigens eine Straße benannt und er ist immer noch Ehrenbürger dieser Stadt.
In Eschwege wollte man auch lieber vergessen. Aber den brauen Bürgermeister Dr. Beuermann hat es dann postum doch noch seine Ehrenbürgerschaft gekostet. Und weil der so braun war, hat man das Straßenschild ihm zu Ehren wieder abgeschraubt. So, nix mehr Dr.-Beuermann-Straße, jetzt wohnen die Leute Am Ottilienberg, es gibt aber noch ehemalige Dr.-Beuermann-Straßen-Verfechter, die haben die alten Schilder demonstrativ an ihr Haus gepinnt. Jüngst wurde dem Lehrer Fritz Neuenroth zu Recht die „Straßenschilderehre“ entzogen. Auch der wurde als Mitläufer eingestuft, das Straßenschild wird demnächst abgeschraubt. Ob sich die Wanfrieder das trauen würden? Also, den Wilhelm Pippart vom Sockel stürzen? Ich glaub, das kann ich vergessen. Ach ja, vergessen wir das hier doch lieber, ist besser für alle. Aber ich schreibe so gerne, weil: wer schreibt, der bleibt. Blöd ist das, sau blöd.
Eine dumme Sauerei ist diese dumme Schreiberei. Oh, das reimt sich, da könnt ich was draus machen…