Du meine Güte, was für ein Kampf! Klitschko gegen Haye. 10 Mio Euro für jeden von beiden, weil 45.000 Zuschauer in der HSV-Arena und 15,5 Mio an den TV’s sich diesen Superkampf der Giganten ansahen. Wow! Das sind 67 Prozent Marktanteil. So schreibt es Stern-online heute. Und ich muss sagen, hätte ich die zwölf Runden nicht mit dem Kopf unter der Wolldecke gesteckt, sondern mir das Duell angesehen, wäre meine Meinung vom Boxkampf heute vielleicht eine andere.
Ich habe es nicht so mit Menschen, die anderen ins Gesicht schlagen. Auch nicht aus Spaß am Sport. Bei den Tieren gibt es da die instinktive Beißhemmung (wenn sie richtig ticken), und bei den Menschen gibt es meiner Meinung nach auch die natürliche Hemmung, andere ins Gesicht zu schlagen. Und dann noch mit der Faust, mitten auf die Nase, das Kinn, die Zähne, die Schlefen. Allein die Vorstellung macht mich kribbelig. Ich kanns nicht mit ansehen. Ich habe also auch diesen Kampf nicht mit angesehen, außer vielleicht etwa eine Minute, in der ich auftauchen musste, um Luft zu schnappen. Aber was ich da sah, war ein Herumgetanze und Gehüpfe, ein Auf-die-Knie-fallen, Abstützen und die Werbung bei RTL. Komisch. Früher, als mein Vater mich nachts weckte, weil Ali gegen zwei oder drei Uhr in der Nacht boxte, da flogen ganz anders die Fetzen. Auch damals habe ich schon ein Kissen vors Geschicht gehalten, aber doch öfter ein Auge riskiert. Was haben die sich gehauen! Au weia. Da duckte man sich als Fernsehzuschauer noch weg, weil man Angst haben musste, Schweiß, Blut oder Zähne würden gleich durch die Mattscheibe ins Wohnzimmer fliegen. So nah war man dran, so echt haben die draufgehauen und in den Pausen zwischen den zwölf Runden, gab es keine Autowerbung oder die mit den Milchschnitten essenden Boxbrüdern. Da sah man den Boxern zu, wie sie massiert, angeheizt und mit Wasser abgeduscht wurden. Die bösen Blicke, die Speichelfäden, die Platzwunden. Da war die Welt noch in Ordnung.
Die 45.000 Zuschauer in der HSV-Arena haben das ja auch gesehen. 15,5 Mio an den TV’s mussten Werbung ertragen. Obwohl, da wird einem ja dann gezeigt, dass die Welt im Großen und Ganzen schön und gut ist. Die Autos sauber, die Milchschnitten gesund. Und wenn die boxenden Klitschko-Brüder, die eigenlich Doktoren sind und gern mal eine Kindermilchschnitte essen, nicht das Image einer brutalen Kampfsportart aufpeppen können, dann sind Hopfen und Malz bald verloren und wir können alle einpacken. Allerdings hat mir das provokannte T-Shirt, das Haye vor dem Kampf trug und den abgeschlagenen Kopf des Gegners gezeigt hat, gut gefallen. Das hat den Klitschko richtig böse gemacht. Der wollte ihn dann k.o. schlagen. „Er hat meine Familie beleidigt, dafür werde ich ihn – oder hat er ihm gesagt?- bestrafen“, drohte er und lockte 15,5 Mio Leute ans TV und 45.000 in die HSV-Arena. Wie böse der sein kann, obwohl er Kindermilchschnitten isst? Huuuuuuh, der Klitschko haut den Haye um und andersherum auch. Nun gut, letztendlich wird nie so heiß gegessen, wie gekocht wird. Und auch hier waren das Geschrei der blutrünstigen Zuschauer, die Profite der Veranstalter und der Boxer und das mit Werbung und einem langweiligen Kampf gequälten TV-Publikum allseits überdimensioniert. Aber so ist das Business eben. Milchschnitten boxen eben nicht.